Rein schon aus Fitness-Gründen und um abzunehmen, wollte ich eigentlich schon immer regelmäßig laufen. Theoretisch zumindest. Ich habe auch immer wieder Versuche unternommen, mit dem Laufen anzufangen, aber irgendwie hat das nie so recht funktioniert.

Ein paarmal habe ich den waghalsigen Versuch unternommen, mir einen fixen Laufplan zurechtzulegen und dann einfach loszulaufen. Da ich mich aber nicht unbedingt zu den geborenen Läufern zähle, war diesen Versuchen nicht allzuviel Erfolg beschienen: meistens endeten sie schon nach ein paar hundert Metern mit einem hochroten Kopf meinerseits, völlig außer Atem, mit Kopf- und Ohrenweh und Blutgeschmack im Mund. Dabei war ich eigentlich gar nicht so schlecht bei Kondition, ich konnte nächtelang durchtanzen oder stundenlang im Sommer im Wasser herumtoben, aber das Laufen war für meinen Verstand einfach zu langweilig! Nach ein paar Metern fragte er sich schon, wie lange die Straße wohl noch weiterginge und nach ein paar weiteren Schritten fing er an, sich ganz einfach zu weigern. "Nein, das ist mir zu langweilig". War dieser Gedanke erst einmal aufgetaucht, dann war das Laufen auch schon wieder vorbei.

Doch richtig verstanden, warum es mir nicht möglich war, weitere Strecken zu laufen, habe ich erst später, nachdem ich zu meditieren begonnen hatte: es war mein Verstand, meine Gedanken, welche ich einfach nicht unter Kontrolle hatte.

Nachdem ich dies erkannt hatte, änderte ich meine Laufstrategie erheblich: anstatt einfach mit voller Geschwindigkeit loszulaufen, lief ich nun so langsam wie nur irgendwie möglich. Ich genierte mich dabei zwar ein bißchen, denn eigentlich wäre ich wahrscheinlich im Gehen auch nicht langsamer gewesen, aber auf diese Art und Weise konnte ich wenigstens schon bis zu 2 km durchlaufen, ohne eine Pause machen zu müssen! (Mein Mann lief ab und zu scherzhalber rückwärts vor mir her und ich versuchte vergeblich, ihn (vorwärtslaufend!!!) einzuholen. Für mich waren die 2 km dennoch ein großartiger Erfolg, den ich meinen Lauffreunden, alles erfahrene Marathoniken, begeistert erzählte und dafür von ihnen mit einem nachsichtigen Lächeln bedacht wurde...

Wie dem auch sei, ich wurde durch diese Anfangserfolge ermutigt weiterzulaufen und fand alsbald auch diverse Techniken, mit welchen es mir gelang, meinen Verstand unter Kontrolle zu halten: meine Lieblingstechnik war folgendermaßen: ich versuchte, mich auf die Landschaft zu konzentrieren, welche bei jedem Schritt links und rechts aus meinen Augenwinkeln verschwand. Auf diese Weise mußte ich mich erstens sehr stark konzentrieren, und diese Technik erzeugte zweitens in mir das Gefühl, daß ich auf der Stelle stehen und sich meine Umwelt an mir vorbei bewege. Damit verlor ich auch das Gefühl der Anstrengung beim Laufen, was mir dazu verhalf, schön langsam auch längere Strecken zu bewältigen.

Mit meinen Konzentrationstechniken hatte ich mein Laufpensum bald auf 10 km ausgedehnt, eine für mich am Anfang fast unvorstellbare Leistung. Meinen ersten Halbmarathon lief ich dann "um es einmal auszuprobieren". Tatsächlich traute ich mich nicht wirklich, mir ernsthaft vorzunehmen, einen Halbmarathon zu laufen, da alleine der Gedanken daran mir Angst einjagte. Also sagte ich mir: "Du mußt ihn ja nicht wirklich laufen, du kannst es ja einfach nur versuchen und sobald du nicht mehr kannst, gehst du eben! Die Strecke (in Graz) vom Hilmteich über Mariatrost zum "Alten Fassl" ist sehr hügelig, aber sehr sehr schön. Sollte ich es also nicht schaffen, dann konnte ich ja immer noch einen schönen Spaziergang machen!

Gelaufen bin ich meinen ersten Halbmarathon dann mit einer Freundin, die sich mit mir die ganze Strecke lang unterhalten hat. Unser Gespräch war sehr interessant und somit merkte ich gar nicht wirklich, wie wir Kilometer um Kilometer zurücklegten. Aber nach dieser Gewalttour habe ich mich hingelegt und mindestens 3 Stunden geschlafen!!

Ein paar Monate später haben sich dann einige meiner Freunde für einen Marathon in Wien angemeldet. Zuerst habe ich das einfach nur wahrgenommen, ich habe mich aber überhaupt nicht betroffen gefühlt. Nach und nach schlich sich aber auf leisen Sohlen eine Idee in meinen Kopf: und wenn ich es einfach probiere? Wenn ich nicht mehr laufen kann, kann ich doch immer noch gehen...

Am Abend vor dem Marathon war ich dann irgendwie völlig sicher: ich werde den Marathon schaffen! Und wenn ich in das Ziel kriechen muß!...

Nun, gekrochen bin ich nicht, aber ich habe ziemlich lange gebraucht: 5:30... Und etwas frustriert war ich auch schon gegen Ende des Marathons, da die Siegerehrung schon stattfand, bevor ich im Ziel war! Die letzten 1 1/2 Stunden lief ich dann schon ziemlich alleine und das war dann schon recht anstrengend... aber ich hielt mich aufrecht mit dem Gedanken, der mich schon den ganzen Tag begleitet hatte: "Ich laufe einen Marathon! Ich laufe einen Marathon!"

Apaga, Graz