Da war ich wieder, am Start eines Mehrtageslaufes im Flushing Meadows Corona Park in New York. Nach meinem 6-Tagelauf letzten Jahres und meinem 10-Taglauf in diesem Frühling würde dies mein dritter Mehrtageslauf werden. Mit den Erfahrungen der frühren "Multy Day Races" war ich recht gelassen am Start - ganz im Gegenteil zu den beiden ersten Läufen. Schon nach den ersten paar Runden war ich mir im klaren darüber was ich diesmal anders machen wollte. Ich wollte mich nicht wieder über meine Verhältnisse hinaus fordern, nur um mein Ego zu erfüllen und auf biegen und brechen möglichst viele Meilen herauszuschinden. Natürlich wollte ich mein Bestes geben aber mir wurde in den vorigen Rennen klar dass dies nicht mit der Brechstange zu erreichen ist.

Immer wieder während dem Lauf kam mir ein Lied von Sri Chinmoy in den Sinn dessen Text genau dazu aufforderte was mein Ziel war: "Do the best you can, cheerfully!". Dies war fortan das Motto dieses Laufes für mich. Und los ging's. Wir hatten unglaubliches Glück mit dem Wetter. Von zwölf Tagen waren elf sonnig. Nur an einem Tage traf uns ein mit einem Hurrikan in Verbindung stehendes Wettersystem, welches uns starken Regen und Wind brachte. Das Ergebnis davon waren verringerte Tagespensen für alle Läufer und das Übertreten des Sees, neben dem die Laufstrecke verläuft.

Die Stunden und Tage verflogen teilweise wie im Flug. Die ersten drei Tage war ich recht schnell und konnte daher zusätzlich zu meinen vier Stunden Schlaf in der Nacht immer wieder kleine Pausen einlegen und trotzdem täglich mehr Meilen laufen als ich gebraucht hätte um die 700 Meilen im "Cut Off" von 12 Tagen zu schaffen. Es war faszinierend für mich zu erleben wie sehr man sie in einem 10 Minuten-"nap" (Nickerchen) regenerieren kann. Am vierten Tag kam dann allerdings eine Verletzung ins Spiel die mich bis zum Ende des Rennens nicht mehr laufen lassen sollte. "Walking" war nun angesagt. Meine Extrapausen konnte ich mir nun abschminken, genauso wie das Ziel der 700 Meilen. Das neue Ziel hieß nun: Möglichst viele Meilen in 12 Tagen. In diesem Lauf gelang es mir schon viel besser meinen Verstand davon abzuhalten, sich auszurechnen wie viele Tage ich noch laufen musste, wie viele Stunden, Runden, und Minuten, und sich auszumahlen mit wie viel Probleme und Schwierigkeiten ich wohl noch konfrontiert werden würde. Hingegen konzentrierte ich mich immer nur auf die eine Runde in der ich mich gerade befand (ca. 1,6 km). Das ist sehr wichtig denn sonst wird der Verstand einfach überfordert. Der größte Gegner in einem solchen Lauf sind meiner Erfahrung nach nicht die vielen hundert Kilometer die es zurückzulegen gilt, oder die unzähligen Stunden die man durchhalten muss, sondern der eigene Verstand, der einem solch ein Rennen zur Hölle machen kann, wenn man ihm die Gelegenheit dazu gibt. Man muss im Versand ständig Selbstvertrauen, Mut Enthusiasmus, usw. hegen, sonst wird es sehr schwierig. Sehr lange kann man den Verstand aber oft nicht vom eigenen Potential überzeugen und so ist es das Beste ihn zu übergehen und soviel wie möglich im Herzen zu verweilen. Ein Mehrtageslauf ist also nicht nur äußere Arbeit, sondern vor allem auch innere Arbeit. Rund zwanzig Stunden am Tag hat man nur eines zu tun: sich mit sich selbst auseinander zu setzen. Sonst ist unser Bewusstsein fast immer nach außen gerichtet, wir Arbeiten, reden mit Freunden, Lesen, sehen fern, hören Musik, machen Sport,... Doch in einem solchen Lauf wird der Spieß umgedreht. Man wird sehr intensiv mit sich selbst konfrontiert. Dadurch wird man sich seiner eigenen Personalität sehr bewusst. Dies ist ein äußerst heilsamer und wichtiger Prozess. Hoffentlich schafft man es dann auch, die eine oder andere Ecke der eigenen Personalität auszubügeln, und dadurch ein ausgeglichenerer und besserer Mensch zu werden. Nun verstehe ich, warum Sri Chinmoy in einem seiner Lieder sagt: "Laufe und werde, werde und laufe. Laufe, um in der äußeren Welt zu triumphieren. Werde, um in der inneren Welt voran zu schreiten. Am Ende schaffte ich äußerlich 611 Meilen (983 km) und war innerlich zufrieden und glücklich.

Rainald P. Innsbruck